Foto | Photo: Rolf K. Wegst
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Thomas Zipp

A PRIMER OF HIGHER SPACE 
(The Family of Man revisited)

01.09. – 18.11.2018

Das Werk des in Berlin lebenden Künstlers Thomas Zipp ist geprägt von der Auseinandersetzung mit den Widersprüchen moderner Subjektivität. In seinen raumgreifenden Installationen befragt er das Verhältnis zwischen dem Einzelnen und der Masse, dem Ich und dem Kollektiv. Indem Zipp konventionelle Wertesysteme und Wissenschaftsmodelle dekonstruiert, eröffnet er das Feld für neue Fragen.
 
Für die Kunsthalle Gießen entwickelt Thomas Zipp eine komplexe Rauminstallation, die in unregelmäßigen Abständen performativ bespielt wird. Inhaltlicher Ausgangspunkt ist die Ausstellung ‚The Family of Man‘, die 1955 im New Yorker Museum of Modern Art eröffnete und 2003 in die Liste des UNESCO Weltdokumentenerbes aufgenommen wurde. Ziel dieser Ausstellung war die Völkerverständigung. Der damalige Leiter der Fotografieabteilung des MoMA und Kurator der Ausstellung Edward Steichen versprach sich durch den Einsatz der universellen Sprache von Fotografie das Verständnis der Menschen untereinander zu fördern, Vorurteile abzubauen und Grenzen zwischen unterschiedlichen Klassen, Religionen und Ethnien zu überwinden. ‚The Family of Man‘ – die Menschheit als Familie – gliederte sich in 32 Themen wie Arbeit, Liebe, Glaube, Geburt, Familie, Kinder, Krieg und Frieden, die auf über 500 entsprechend geordneten Fotografien gezeigt wurden. Gleichwertig hingen Amateurfotos neben Arbeiten von renommierten KünstlerInnen und stützten so auch formal den Gedanken eines ebenbürtigen Miteinanders. Die emotionale Kraft der Ausstellung sollte überdies mit Rücksicht auf die damalige Weltlage aufzeigen, welche einzigartige Vielfalt an unterschiedlichen Formen des Menschseins im Falle eines Nuklearkriegs vernichtet werden würde.
Durch die Inszenierung in der Kunsthalle Gießen erfährt ‚The Family of Man‘ eine Neuinterpretation. Thomas Zipp lässt die einst separierten Themenbereiche miteinander verschmelzen und bündelt die komplexen Facetten des Lebens in einer multimedialen Installation.
 
Durch den Bau einer kleinen Häusersiedlung kreiert der 1966 im südhessischen Heppenheim geborene Künstler eine Welt, in welcher der Besucher sich im Maßstab 1:1 durch die vermeintlich banalen Lebensentwürfe verschiedener Menschen bewegt. Man betritt deren Küchen, schaut in fremde Schlafzimmer, lugt durch Türen, beobachtet Personen in ihrem Lebensalltag und wirft dadurch nicht zuletzt einen Blick in menschliche Abgründe. Scheinbar verbunden durch das vertraut Alltägliche, unterläuft der individuelle Lebensentwurf eines jeden Menschen das einheitliche Bild von Gesellschaft. Bei Thomas Zipp rückt diese Brüchigkeit von gemeinschaftlichen Verabredungen und Konventionen konsequent in den Vordergrund.
Private Fotos aus Nachlässen, welche der Künstler seit Jahren sammelt, fließen als Diaprojektionen in die Ausstellung ein und lassen die Stationen eines fremden Lebens vorbeigleiten. Damit zelebriert der ehemalige Städelschüler, der heute selbst Professor an der Berliner UdK ist, den banalen Alltag ebenso wie psychische Veranlagungen und wahnhafte Zwänge, spürt ihnen nach, entlarvt Obsessionen, die mal sorg- und arglos oder auch wohlwissend gepflegt wurden.
Mit dem Verkauf, oftmals auf Flohmärkten, erhalten einst private Bilder zwar Öffentlichkeit, verlieren aber zugleich ihre individuelle, emotionale Bedeutung. Durch die Einbettung in den Kontext einer Ausstellung erlangen sie ihre ursprüngliche Wichtigkeit zurück, verbunden jedoch mit Bedeutungsverschiebung. Der Künstler trifft eine selektive Auswahl an bildhaften Eindrücken aus einem fremden Leben und lenkt damit gleichsam dessen moralische Bewertung. Denn indem der Besucher bestimmte Bilder ablehnt, urteilt er auch über deren Urheber und dessen Leben. Subtil unterminiert Zipp die 1955 von der MoMA-Ausstellung propagierte Vorstellung eines harmonischen Nebeneinanders und schafft so gleichzeitig Raum zum Nachdenken über gesellschaftliche Normen und das darauf basierende Urteil über ‚richtig‘ und ‚falsch‘.
 
Zipp fasst entsprechend seiner prägenden Arbeitsweise auch in der Kunsthalle Gießen einzelne Elemente früherer Arbeiten zu einem neuen Gesamtkunstwerk zusammen. Er reagiert dabei unmittelbar auf den Ausstellungsraum und verzichtet, obwohl das Medium der Malerei wesentlicher Bestandteil seines Oeuvres ist, hier, gänzlich auf das klassische Tafelbild. Der zeitliche Kontext, in dem die raumumspannende Installation spielt, bleibt diffus. Während eine Armada von zwölf Raketen mit ihren tarnfarbenen Spitzen bedrohlich in die Höhe ragt und ein zierlicher Traktor statt der Ernte ein weiteres Geschoss transportiert, verweist der Künstler einerseits konkret auf die Schatten des Kalten Krieges, vor dessen Hintergrund die New Yorker Ausstellung stattfand. Andererseits sind die Raketen allgemeingültiges und global lesbares Symbol technologischen Fortschritts sowie der Bereitschaft einzelner Staaten, die eigenen Interessen notfalls gewaltsam durchzusetzen. Dabei dient die Angst als Motor der Aufrüstung. Statt der klassischen Leinwand bemalt Zipp die äußere Hülle der Raketen, deren strenge Geometrie der schwarz-weißen Flächen eine Reminiszenz an die Russische Avantgarde, aber auch auf durchaus ähnliche militärische Tarnbemalungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verweist. Er verkleidet die ihnen innewohnende Gewalt in Schönheit.
Auch der Haupttitel der Ausstellung ‚A Primer of Higher Space‘ verweist auf die skulpturale Setzung im Raum. Damit geht der Künstler auf eine Abhandlung aus dem Jahr 1913 ein, in der der amerikanische Architekt Claude Fayette Bragdon Überlegungen zur 4. Dimension anstellt. Verortet zwischen Mystik und Mathematik, wird sie darin nicht räumlich gedacht, sondern verfolgt das Prinzip von Wachstum und begreift sie als Veränderung. Während die Rakete in der Lage ist, räumliche Grenzen zu überwinden und damit den einstigen Fortschrittsgedanken Realität werden lässt, verarbeitet Thomas Zipp Bragdons Theorie von der 4. Dimension performativ. Seine Häuser sind in unregelmäßigen Abständen von realen Personen bewohnt, die in Gruppen variierender Größe und Konstellation die erinnerungsschweren Räume belegen.
 
Thomas Zipp transformiert die Kunsthalle in eine Welt, in der sich zeitliche und räumliche Dimensionen aufheben und Vergangenes, Gegenwärtiges, Zukünftiges und Mögliches sich zu einer künstlichen Welt verdichten.
 
Thomas Zipp (*1966 Heppenheim, lebt in Berlin)
gilt als einer der einflussreichsten deutschen Künstler der Gegenwart. Er studierte Malerei an der Städelschule in Frankfurt und der Slade School of Fine Art in London. Er lehrte an der Hochschule für bildende Künste in Karlsruhe und der Universität für Angewandte Künste in Wien. Seit 2008 ist er Professor an der Universität der Künste Berlin.
Sein Œuvre umfasst neben Malerei unterschiedlichste Medien wie Installation, Zeichnung, Skulptur und Performance.
Zipp stellte aus u.a. in der Kunsthalle Fridericianum in Kassel, der Biennale di Venezia, der Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst, der Tate Modern London und dem MCA Chicago. Seine Werke sind in diversen öffentlichen Sammlungen vertreten, so zum Beispiel in der Berlinischen Galerie, dem Lenbachhaus München oder dem MOCA Los Angeles.

Eröffnung

Freitag, 31.08.2018, 19 Uhr
 
Einführung:
Dr. Nadia Ismail
Leiterin Kunsthalle Gießen und Kuratorin der Ausstellung
 
Zur Eröffnung findet eine Performance statt

Der Künstler ist anwesend

Rahmenprogramm

10 Fragen an…
Prof. Ansgar Schnurr stellt der Kunsthallenleiterin Dr. Nadia Ismail 10 Fragen zur aktuellen Ausstellung.
Das Publikum ist herzlich eingeladen ebenfalls Fragen zu stellen und mitzudiskutieren.
08.11.2018, 18 Uhr
Eintritt frei
 
Prae Finissage mit Performance
Bei Getränken und Snacks vermitteln Tatjana Wild und Silvia Trentin die Kunst von Thomas Zipp im individuellen Gespräch. Dabei passen sich die Kunstvermittlerinnen dem Wissenstand und Wissensdurst des jeweiligen Gegenübers an. 
Samstag, 17.11.2018, 17–19 Uhr
Eintritt frei
 
Kunstvermittlung im individuellen Gespräch
Mit Tatjana Wild und Silvia Trentin
Auf Anfrage auch in englischer Sprache
Donnerstag 13.09., 27.09., 11.10., 08.11., 
jeweils 14–16 Uhr
 
Kuratorenführung mit Dr. Nadia Ismail
Termine: 09.10., 07.11., jeweils 17–18 Uhr
 
Kunst und Kaffee mit Fabian Stein
Termine: 30.10. + 18.09.2018, 
jeweils 15:00–16:30 Uhr


Samstage, mit verlängerten Öffnungszeiten:
08.09., 22.09., 06.10., 20.10., 03.11., 17.11., 
jeweils 17–19 Uhr
Mit freundlicher Unterstützung:

Galerie Guido W. Baudach, Berlin

M@AUS * Regionales Medienzentrum Gießen-Vogelsberg

Verein Ehrenamt Gießen e. V.